Über Bernstein...

1. Der Bernsteinwald, Entstehung des Bernsteins

Im Zeitalter des Paläogens (Unteres Eozän, vor rund 50 Millionen Jahren) gab es die heutige Ostsee noch nicht. Auf dem damaligen Nordeuropäischen Kontinent von Skandinavien bis an den Ural existierte über 10-12 Millionen Jahre ein riesiges Wald- und Gewässerreiches bergiges, mit Savannen durchsetztes Gebiet, der “Bernsteinwald“. Dort wuchsen viele Arten von Kiefern, immergrünen Eichen und Palmen.

Bäume harzen aus verschiedenen Gründen. Die Ursachen können Verletzungen durch Insektenfraß und Windbruch sein oder einfach das Wachstum der Bäume. Beim Dickenwachstum wächst die Rinde weniger als der Holz Teil, die Folge sind Risse in der Rinde, aus denen Harz quillt.

Da das Harz als eine organische Substanz an der Oberfläche schnell im feucht-warmen Klima des Eozäns verwittert wäre, muss es bald unter Luftabschluss geraten sein, um fossil überliefert werden zu können. Dies ist eine sehr wichtige Voraussetzung zur Entstehung von Bernstein, die Lagerung unter Sauerstoffabschluss.

In einem fortschreitenden Polymerisationsprozess, der im Labor nicht nachvollziehbar ist, verfestigte sich das Harz langsam im Laufe einer Million Jahre über Kopal bis hin zu Bernstein. Erst nach dieser unvorstellbar langen Zeit haben wir Bernstein vor uns. Deshalb ist auch verständlich, dass nicht überall auf der Erde aus jedem Harztropfen ein Bernstein geworden sein kann. Es bedarf glücklicher Umstände über einen sehr langen Zeitraum.

Über Millionen Jahre hindurch wurden nach und nach große Harzmengen aus dem Waldboden in Flüsse und Seen geschwemmt. Man vermutet, dass ein Flusssystem, der legendäre Eridanos Bernstein aus dem Gebiet des Bernsteinwaldes ins Meer transportierte, dessen Küste damals nördlich der heutigen Samländischen Halbinsel verlief.

Hier, im Flussdelta des Eridanos, in der jetzigen Danziger Bucht entstanden dann am Meeresgrund die Bernstein - haltigen Ablagerungen, die "Blaue Erde".
Die "Blaue Erde" ist ein Glaukonit -haltiges Sediment mit einem sehr hohen Gehalt an Bernstein von 0,5 – zu 6 kg pro Kubikmeter. Die Gewinnung von Bernstein aus oberflächennahen Schichten hat eine lange Tradition und wird seit Mitte des vorigen Jahrhunderts bei Palmnicken, heute Jantarnyj erfolgreich im Tagebauverfahren betrieben.

Um die eigentliche Entstehung des Baltischen Bernsteins verstehen zu können, muss man auch die Entwicklung des heutigen Ostseeraumes vom Eozän bis heute betrachten, vor allem die mehrfache Regression und Transgression, d.h. das Vordringen und Zurückziehen des Meeres.

Im Laufe des Eozäns war das Meer immer wieder weit nach Osten vorgedrungen, gegen Ende des Eozäns bis über das heutige Kaliningrad oder Königsberg hinaus. Es teilte den damaligen Bernsteinwald in einen nördlichen und einen südlichen Bereich. Unser Baltischer Bernstein entstand aus den Harzen des nördlichen Gebietes.



                                                                 Dunkelblau: Das Meer im Unteren Eozän.
                                                                 Hellblau: Das Meer im Mitteleozän.
                                                                 Stilisiert: Der Fluss Eridanos mit Flussdelta.


Das Harz entsteht in Harzkanälen im Inneren der Nadelbäume. Es hat eine Schutzfunktion und verschließt Wunden, die dem Baum z. B. durch Insektenfraß oder mechanische äußere Verletzungen zugefügt wurden. Aber auch durch das natürliche Wachstum des Baumes über das Kambium zwischen Holzteil und Rinde entstehen Spannungen und Risse, vor allem in der Rinde, weil sie nicht entsprechend mitwachsen kann. Hier tritt dann Harz nach außen oder sammelt sich unter der Borke in sogenannten Taschen.

Wir unterscheiden folgende Naturformen:

  • Riss- und Hohlraumfüllungen
  • Fliesen und Platten
  • Zapfen und Stalaktiten
  • Tropfen
  • Schlauben


Die Harzflussformen, Zeichnung © G. Diebel


Interessant sind Bernsteintropfen und Schlauben. Die Tropfenform kann mehr oder weniger regelmäßig bis ungleichmäßig sein oder auch einseitig abgeflacht bedingt durch Aufprallen auf den Boden, sie zeigen oft eine runzelige Oberfläche mit ausgeprägten Trocknungs- und Schrumpfungsfurchen. Schlauben sind mehrfach übereinander geschichtete Harzflüsse, die sich außen am Baumstamm mit zeitlichem Abstand anreicherten. Man kennt Schlaubensteine mit bis zu 100 Lagen und mehr. Zur Schmuckherstellung sind sie wegen ihres zerbrechlichen Charakters kaum geeignet, jedoch enthalten sie oft Inklusen. Schlauben bildeten sich aus eher dünnflüssigen Harzschüben, Tropfen dagegen aus mehr zähflüssigem Harz.

2. Bernstein – Farbvarianten

Weniger als 10% des Bernsteins hat die typische klarhoniggelbe Farbe, am häufigsten ist eine trüb-flomige Variante. Sind feinste Luftbläschen eingeschlossen, erscheint der Bernstein milchig-gelblich bis fast weiß durch die Reflexion des Lichtes. Bräunliche bis schwärzliche Farbvarianten werden durch eingeschlossenen Mulm oder Holzfasern verursacht, die seltenen bläulichen und grünlichen Farbtöne durch Einlagerungen von Pyrit in weißem Bernstein und klarem Harz über dunklem Untergrund. Verwitterter Bernstein wird rotbraun und zeigt oberflächlich immer stärker werdende feine Haarrisse.

Diese ungeheure Vielzahl der Farbvarianten mit allen nur erdenklichen Übergängen und Kombinationen von klar bis trübe, über rot, elfenbeinweiß und fast schwarz fasziniert die Menschen seit jeher am Bernstein!



3. Die Bernsteinlinie

 

Die Gletscher der letzten Eiszeiten haben viel Bernstein mitgeführt und weit bis in den norddeutschen Raum verfrachtet. Feuerstein (Flintstein) wurde ebenfalls verfrachtet, er ist ein sehr festes, verwitterungsbeständiges Gestein. Verbinden wir die südlichsten Fundpunkte der von Gletschern transportierten Feuersteine, so erhalten wir die sogenannte „Feuersteinlinie“. Sie zeigt uns an, wie weit die Gletscher nach Süden und Westen vorgestoßen sind. Bis zu den Endmoränen hin haben sie aber auch Bernstein mitgeführt und abgelagert. Man könnte also zu der „Feuersteinlinie“ auch „Bernsteinlinie“ sagen, aber Bernstein verwittert sehr schnell und kommt nicht so häufig vor.

In der ersten großen Eiszeit, der Elster-Eiszeit, schoben sich die Gletscher bis an den Rand der Mittelgebirge. Die Moränen dieser Eiszeit sind fast überall von jüngeren Schichten überdeckt worden. Die zweite große Eiszeit (Saale-Eiszeit) hatte mehrere Gletschervorstöße, von denen der erste (Drenthe I) fast so weit vordrang wie die Elster-Gletscher, im Westen sogar darüber hinaus bis fast nach Köln. Die letzte Eiszeit (Weichsel-Eiszeit) ließ die Gletscher nur bis Hamburg und südlich des jetzigen Elbeverlaufes vordringen. In jeder Eiszeit wurden Teile des Bernsteins wieder umgelagert und neu verfrachtet, sodass der Bernstein dann schon auf tertiärer, quartärer oder noch jüngerer Lagerstätte liegt. Die südlichste Ausdehnung der Gletscher ist entsprechend auch die südlichste Ausdehnung der Bernsteinvorkommen.

 



                                                 

                                                      „Blaue Linie: Saale-Kaltzeit (Drenthe-Stadium)

                                                      Rotbraune Linie: Elster-Kaltzeit

                                                      Schwarze Pfeile: Gletscher-Hauptfließrichtungen“,

                                                      aus: © Carsten Gröhn, Bernstein – Suchen und Sammeln, Wachholtz-Verlag

 


4. Bernstein in Kiesgruben

 

Wasserströmungen haben Bernstein, meist zusammen mit kohligem Holz, an bestimmten Stellen angehäuft, so wie wir auch heute, z. B. in Buchten mit besonderen Strömungsverhältnissen, größere Mengen Bernstein mit schwarzem Holz finden können. Diese Stellen wurden durch immer mehr Schichten von Sand überlagert. Und so finden wir heute in vielen Kiesgruben Norddeutschlands in bestimmter Tiefe schwärzliche „Linsen“, die Bernstein enthalten können. Der Horizont des Vorkommens ist sehr unterschiedlich tief gelegen: Nördlich von Berlin und im Ammerland (im nordwestlichen Niedersachsen)  gibt es Kiesgruben, in denen der Bernstein in nur 2 Meter Tiefe vorkommt, in Berlin selbst liegt er in Tiefen bis 15 Metern, in der Wesermarsch sogar bis zu 35 m Tiefe.

Bernstein wurde nach dem Abschmelzen der Gletscher auch oberflächlich abgelagert und ist z. B. bei Straßenbauarbeiten und beim Graben im Garten gefunden worden.

Es gibt zwei grundsätzlich verschiedene Möglichkeiten des Suchens, Sammelns und Findens: Der direkte Zugriff, indem man in den Kiesgruben nach den schwarzen Horizonten sucht oder gräbt, oder der indirekte Zugriff, indem man die Sohle der Kieshänge absucht oder bei Kiesgruben mit Nassabbau an den Waschanlagen sucht.



Kohlige Bänder mit Bernsteinen, dazwischen feine helle Sande


5. Bernsteinfunde auf Baustellen

 

Auch direkt in Berlin ist Bernstein zu finden: In fast jeder etwas tieferen Baustelle kann man fündig werden. So war es auch direkt vor dem Reichstagsgebäude, als die U-Bahn gebaut wurde. Im Buch „ALLES ÜBER BERNSTEIN“ wird berichtet: „Uwe und ich haben uns als Bauarbeiter getarnt in das hermetisch abgeriegelte Baugelände gewagt. Zunächst suchten wir die Cafeteria auf, in der zur Frühstückszeit viele Bauarbeiter saßen. Sie wunderten sich zwar über unser seltsames Gesprächsthema, erzählten uns aber bereitwillig, an welchen Stellen des riesigen Baugeländes wir die Schächte untersuchen bzw. welchen Baggerfahrer wir weiter ausfragen sollten. Informationen gesammelt und ab in die Schächte, mitten im Baubetrieb unter den Augen der staunenden Arbeiter. Das war hart an der Grenze des Legalen, aber an mehreren Stellen sind wir fündig geworden und besitzen jetzt Reichstagsbernstein!“

 



U-Bahn-Baugrube vor dem Reichstagsgebäude


6. Bernsteinfunde an der See

 

Vorbemerkung:

Wasser hat bei 4 Grad Celsius seine größte Dichte, d. h. im Verhältnis zum Wasser ist Bernstein bei dieser Temperatur am leichtesten. Er kann dann durch Strömungen leicht transportiert und durch Wellenbewegungen an Land geworfen werden. Im Sommer in warmem Wasser liegt der Bernstein fest auf dem Meeresgrund und wird nur durch stärkste Stürme vom Boden hochgewirbelt. Deshalb sind die Sommerurlauber auch wenig fündig. Der „echte“ Bernsteinsammler geht in den Wintermonaten bis hinein in den späten Frühling an die Küste.

 

Weniger als 5% des küstennahen Bernsteins wird im Laufe der Zeit an den Strand geworfen. Der größte Teil des Bernsteins verbleibt im Meer. Wenn nach einem Sturm Bernstein am Strand zu finden ist, dann kann man sicher sein, dass noch viel mehr im küstennahen Wasser liegt. Es lohnt sich also, in diesen Bereichen mit einem Kescher ins Wasser zu gehen und das treibende Algen – Holz – usw. - Gemisch aufzufischen und nach Bernstein zu durchsuchen. Dazu kann man einen großen Angelkescher verwenden, ein Netz mit 0,7 cm Maschenweite hineingenäht. Die Oberseite des Keschers sollte gerade sein, um ihn dicht über den Boden ziehen zu können. Da das Netz gerade in diesem Bereich leicht abnutzt, kann es durch Gummi geschützt werden: Gummischlauch längs aufschneiden und lege ihn um das Kescherrohr legen und befestigen.

Das Bernstein Fischen mit Keschern hat eine alte Tradition an der Ostseeküste. Seit Jahrhunderten trieb es die Männer nach heftigen Stürmen in die Wellen, um sich mit dem früher noch reichlich zu fischenden Bernstein ein Zubrot zu verdienen.



Voraussetzung für gute Bernsteinfunde ist starker Wind. Während des Sturms macht es keinen Sinn, nach Bernstein zu suchen. Erfahrungsgemäß findet man dann nichts, weil die starke Brandung einen starken Rückstrom des Wellenwassers erzeugt. Aber nach dem Abflauen des Windes, wenn noch reichlich Wellenbewegung herrscht, ist beste Sammelzeit. Die Windrichtung sollte auf jeden Fall vom Meer her kommen, bei ablandigem Wind ist Bernsteinflaute.

 

Suchen sollte man dort, wo schwarzes, kohleartiges Holz (sogenanntes Sprockholz), Gehäuse von Seewürmern und Algen als Spülsaum angeschwemmt worden sind. Dieses Material hat ähnliche Schwebeeigenschaften wie der Bernstein. Dort, wo sich schwerere Ablagerungen wie Muscheln und Steine befinden, braucht man nicht zu suchen. Ebenso nicht dort, wo es sehr leichte Ablagerungen sind, wie zum Beispiel Federn und Schlamm.

 

Es gibt besondere Gegebenheiten, da gilt die Regel nicht, dass nur dort Bernstein zu finden ist, wo Material mit ähnlichen Schwebeeigenschaften angespült worden ist. Das sind vor allem große Molen, in deren Buchten bei Stürmen manchmal bergeweise Seegras, Tang usw. an Land geworfen werden. Dazwischen versteckt sich so mancher Bernstein. Ausgerüstet mit einer langzinkigen Harke lassen sich auch große Mengen an Angeschwemmtem rückenschonend umschichten.



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7. Bernsteinfunde in den Alpen

Das klingt auf den ersten Blick unwirklich. Wie kann Bernstein im Gestein der Alpen in über 2000 m Höhe entstanden sein?

Denken wir 50 Millionen Jahre zurück, da gab es noch keine Alpen, sondern die Reste des Tethys-Meeres erstreckten sich dort. Das Mittelmeer, das Schwarze Meer und das Kaspische Meer sind Überreste der Neotethys.

In diesem Meer haben Flüsse das Harz der umliegenden Wälder getragen und große Mengen Harz wurden gut geschützt in den Sedimenten abgelagert. Durch den fortschreitenden Polymerisationsprozess entstanden im Laufe von Millionen Jahre Bernstein.

Dann stieß im Verlauf der Kontinentalverschiebungen die afrikanische gegen die eurasische Platte und die Alpen falteten sich auf. So wurden die ehemaligen Meeressedimente emporgehoben, zwischenzeitlich zu hartem Sandstein, Flysch u. a. geworden, - und in diesen Schichten finden wir Bernstein. Mit schwerem Werkzeug (Spitzhacke, Hammer und Meißel) kann man an geeigneten Stellen Gesteinsplatten mit enthaltenem Bernstein Bergen.



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